Medizinstudium #trotzRheuma: Sandra

Portraitfoto von Gastautorin und Rheumapatientin Sandra

Hey, stell Dich doch einmal kurz vor!

Hallöchen, mein Name ist Sandra, ich bin 29 Jahre alt und habe 2015 die Diagnose „Axiale Spondyloarthritis mit peripherer Gelenkbeteiligung“ bekommen.

Wie war es als Du von der Diagnose erfahren hast? Was hat die Diagnose bei Dir ausgelöst?

Einerseits war ich erleichtert, dass ich eine konkrete Diagnose hatte und diese auch schnell erfolgte. Andererseits hatte ich Angst und wollte es nicht wahrhaben, also habe ich es erstmal verdrängt und nicht wirklich realisiert. Ich habe gehofft, dass ein Missverständnis vorliegen würde und habe mir daher zeitnah eine zweite Meinung eingeholt – leider mit der Bestätigung. Ich habe zu der Zeit schon relativ viel für mein Alter durchmachen müssen - diverse Erkrankungen und Operationen gehabt – daher konnte ich die Diagnose wohl erst nicht akzeptieren und habe mich schon des Öfteren gefragt: „Wieso ich?“ Aber nach anfänglichen Schwierigkeiten und mit der passenden Therapie habe ich schnell gelernt, mit der Krankheit zu leben.

Wie geht es Dir aktuell? Wie bewältigst Du Deinen Alltag?

Aktuell geht es mir okay. Die Krankheitsaktivität hielt sich einige Jahre unter einer TNF-alpha-Blocker Therapie sehr in Grenzen. Diese musste ich leider absetzen und seit einigen Monaten ist das Rheuma doch sehr aktiv. Ich habe einige Basistherapien probiert - leider ohne Erfolg - hoffe jedoch, dass mein aktuelles Medikament, ein Interleukin-Inhibitor, bald anschlägt.

Was war bis jetzt die größte Herausforderung seit der Diagnose?

Ich habe die Diagnose mitten in meiner Ausbildung zur Gesundheits– und Krankenpflegerin bekommen. Zu der Zeit konnte ich kaum noch laufen, da war die Angst groß, die Ausbildung eventuell nicht zu Ende bringen zu können. Ich hatte viele Fehlzeiten und musste daraufhin - trotz bester Noten - ein halbes Jahr dranhängen. Das hat mich damals schon sehr gestört, konnte mich jedoch nicht von meinem Weg abbringen. Generell kann man aber sagen, dass das Leben mit einer chronischen Erkrankung immer gewisse Herausforderungen mit sich bringt. Diese variieren zwar je nach Krankheitsaktivität, sozialem Umfeld und vieler anderer individueller Begebenheiten, sind aber regelmäßig vorhanden.

Wie offen gehst Du mit Deiner Erkrankung um?

Ich bin ein Mensch, der viel Leid erfahren hat und nie gerne im Mittelpunkt stand. In diversen stationären Schmerztherapien habe ich gemerkt, wie fokussiert die Menschen auf ihre Erkrankungen sind. Ich habe schnell gelernt, dass die Erkrankungen nicht Mittelpunkt meines Lebens sein dürfen. Da ich auch eine Weiterbildung zur Pain Nurse habe und somit nicht nur betroffen bin, sondern auch eine fachliche Sicht dazu habe, gelingt es mir ganz gut, die Krankheiten nicht Überhand gewinnen zu lassen. Meine Familie und gute Freunde wissen natürlich Bescheid, sowie die meisten Arbeitskollegen. Ich möchte kein Mitleid, sondern einfach transparent sein. Meine Kollegen sollen verstehen, wieso mir manchmal bestimmte Dinge schwerfallen oder wieso ich nicht unbedingt den hochinfektiösen Patienten versorgen will, wenn es sich verhindern lässt. Ein gewisses erhöhtes Risiko besteht unter Immunsuppression ja doch.

Inwiefern hat sich Dein Berufsleben geändert?

Eigentlich gar nicht. Ich habe meine Ausbildung 2016 erfolgreich beendet, bin seitdem in der Anästhesiepflege tätig und bin seit 2019 im Medizinstudium, was immer mein Traum war. Das Studium ist anstrengend, ich muss nebenbei viel arbeiten und habe vielleicht nicht immer die gleiche Leistungsfähigkeit, wie ein komplett gesunder Mensch. Ich muss mir auch etwas mehr Zeit lassen und werde das Studium nicht in Regelzeit schaffen (was aber auch bei vielen anderen Studenten der Fall ist :D), aber ich werde das definitiv durchziehen und mir von keiner Krankheit der Welt meinen Traum zerstören lassen.

Wie fallen die Reaktionen der Personen aus dem beruflichen Umfeld aus, wenn sie von Deiner Erkrankung erfahren?

Im Großen und Ganzen begegnen meine Kollegen mir mit Verständnis. Viele sind erstaunt, da man mir meine Krankheiten oft nicht ansieht oder haben Respekt, dass ich trotz allem selbst im medizinischen Bereich tätig bin und an meinem Traum festhalte. Ganz selten wurde ich auch mit doofen Situationen konfrontiert, wenn ich mir dann z.B. anhören muss, dass ich ja ein tolles Leben hätte, da ich fünf Tage mehr Urlaub habe.

"Daraufhin erwidere ich nur, dass eine Schwerbehinderung nichts Schönes sei und ich gerne gegen fünf Tage weniger Urlaub tauschen würde."

Dann kommt meistens nichts mehr – aber es gibt ja immer mal jemanden, mit dem man nicht zurechtkommt.

Inwieweit hat sich Deine Erkrankung auf Freizeit und Hobbies ausgewirkt? Wie gehst Du damit um?

Ich bin generell ein sehr aktiver Mensch und mag jegliche sportliche Aktivitäten. Natürlich ist nicht immer alles möglich und ich kann schon lange nicht mehr jeder Leidenschaft nachgehen. Meine Freunde wissen das und haben volles Verständnis. Dennoch verzichte ich nicht auf alles. Im Sommer gehe ich gerne klettern, auch wenn mir danach alles weh tut. Im August erst habe ich mit einer Freundin eine Kanutour auf der Sieg gemacht. Ein Kanu ist weder sehr komfortabel, noch ist es wirklich hüftfreundlich. Ich glaube alle Rheumatiker, die entzündete Hüften haben, wissen was das für Schmerzen sind und der Tag nach der Kanutour war die absolute Hölle – ich würde aber nie darauf verzichten, weil das Momente sind, die das Leben schön machen!

Hast Du vielleicht sogar ein paar ganz praktische Alltags-Tipps für unsere Leserinnen und Leser?

Ich würde jedem empfehlen, sich nicht zu sehr auf den Schmerz zu fokussieren, weil er dadurch nur verstärkt wird. Das ist auch das Problem diverser sozialer Netzwerke. In den Gruppen wird oft nur Negatives erzählt, Leid geklagt und die Krankheit steht im Mittelpunkt. Betroffene steigern sich so rein und ziehen sich gegenseitig runter. Lieber die Energie in positive Dinge stecken! Ich persönlich bewege mich viel (es sei denn es geht wirklich gar nicht) und versuche mich mit schönen Dingen abzulenken, wenn ich starke Schmerzen habe. Viele Tipps habe ich aber leider gar nicht, da das bei jedem sehr individuell ist. Daher lege ich jedem Rheumapatienten nur ans Herz, sich nach der Diagnose nicht hängen zu lassen und aktiv einen Weg zu finden, um mit der Krankheit gut leben zu können.

Wenn Du Deinem Vergangenheits-Ich im Bezug auf den Umgang mit der Erkrankung und der Diagnose mit Deinem heutigen Erfahrungsschatz einen Tipp geben könntest, welcher wäre das?

Da bin ich gerade ehrlicherweise überfragt - ich glaube, ich hätte nichts anders gemacht! :-)

Zum Autor: Matthias Diener ist seit seinem 19. Lebensjahr von Rheuma betroffen. Als zertifizierter Patient Expert und Fachmann für digitale Gesundheit möchte er Wissen rund um rheumatische Erkrankungen patientenverständlich aufbereiten und Patienten bei dem Zugang zu digitalen Angeboten unterstützen.

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