Loslassen #trotzRheuma: Anja

Politik #trotzRheuma: Ein Erfahrungsbericht von Anja Bartl-Schnack

Hey, stell Dich doch einmal kurz vor!

Ich bin Anja, 47 Jahre alt, verheiratet, keine Kinder und arbeite beim Zahnarzt als Zahnmedizinische Prophylaxeassistentin. Ich mache den ganzen Tag Zahnreinigungen, Zahnversiegelungen, Erwachsenen- und Kinderprophylaxe. Im Dezember 2021 habe ich meine Yogalehrer-Ausbildung begonnen. Ich nehme seit Juni 2021 keine Medikamente mehr. 

Wie war es, als Du von Deiner Diagnose erfahren hast? Was hat die Diagnose bei Dir ausgelöst?

Ich war sehr erleichtert endlich zu wissen, womit ich es da zu tun habe. Ich hatte fast 1,5 Jahre ein Martyrium bis zur Diagnose hinter mir. Alle großen Gelenke wie rechte Schulter, linkes Schlüsselbein, linke Hüfte, rechtes Knie war massiv entzündet, neben den ganzen anderen Symptomen wie ständig erhöhte Temperatur, nächtliches Schwitzen, Herzrasen. Und immer hörte ich nur, sie haben nichts, das ist psychisch. Nur weil die Blutwerte nichts zeigten, wenig erhöhten CRP. Ich war seronegativ.

Aus heutiger Sicht, sagte meine Rheumatologin, könnten diese massiven Entzündungen evtl. auch vom Absetzen der Pille resultieren. Diese hatte ich 30 Jahre durchweg genommen und 2017 zum Herbst hin abgesetzt. Danach ging es los. Langsam, aber stetig.

Wie geht es Dir aktuell? Wie bewältigst Du Deinen Alltag?

Aktuell geht es mir sehr gut.  Ich nehme seit Juni 2021, in Absprache mit meiner Rheumatologin Frau Prof. Dr. Gause, keine Medikamente mehr und es geht mir super.  Yoga und Meditation begleiten mich schon seit 5 Jahren.
Meine Yogalehrer-Ausbildung, die ich im Dezember 2021 begann, ist das Beste was ich bisher gemacht habe.

Was war bis jetzt die größte Herausforderung seit Deiner Diagnose?

Die Krankheit und vor allem mich selbst so anzunehmen. Mir Ruhe zu gönnen wenn ich sie brauche und nicht weiter zu rennen im selbstgemachten Hamsterrad. Loslassen zu können.

Wie offen gehst Du mit Deiner Erkrankung um?

Sehr offen, denn es kann keiner SEHEN wie es mir gerade geht. Und auch wenn ich ohne Medikamente leben kann, merke ich schon manchen Tag eine ernstere Gemütslage und auch zwackt es mal hier und dort.

Inwiefern hat sich Dein Berufsleben geändert?

Ich war 2020 auf Anraten meiner Rheumatologin zur Reha in Bad Pyrmont, was mir sehr gut tat, nach der langen, schmerzhaften Zeit 2018/2019. Dort empfahl man mir am besten nicht mehr am Behandlungsstuhl zu arbeiten, da dieser Beruf nicht gerade “rheumafreundlich” ist, sondern in den administrativen Bereich zu gehen. Das lässt sich schlicht und ergreifend so nicht umsetzen. Aber ich sprach mit meiner Chefin und konnte 1 Tag in der Woche reduzieren und mache jetzt nur noch 4 Patienten am Tag und dazwischen immer Pausen um administrative Dinge zu erledigen, da unsere Praxis auch immer größer wird und wächst.

Wie fallen die Reaktionen der Personen aus Deinem beruflichen Umfeld aus, wenn sie von Deiner Erkrankung erfahren / erfahren haben?

Als die Diagnose kam waren alle sehr verständnisvoll, da ich zu dem Zeitpunkt fast 6 Wochen krank war. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, bin die Treppen am Ende auf dem Hintern hoch- und runtergerutscht. Durch die sehr gute medikamentöse Einstellung mit Cortison und MTX Spritzen, ging es mir immer besser, ich wurde wieder  beweglicher.

Dadurch, dass ich jetzt ganz offensichtlich keine körperlichen Einschränkungen mehr habe, ist die Erkrankung aus den Köpfen verschwunden. Ich war seitdem auch nicht mehr krank, insofern gelte bei allen ich wohl als gesund. Ich fühle mich allerdings auch nicht krank.

Inwieweit hat sich die Erkrankung auf Freizeit und Hobbies ausgewirkt? Wie gehst Du damit um?

Vor der Diagnose waren meine täglichen Begleiter das Yoga und die Meditation. Ich war gern schwimmen und ging joggen, bin eine begeisterte Hobby Fotografin und ich liebe die Berge und gehe gerne wandern.

Ich bin tatsächlich bei fast allen Hobbys geblieben, bis auf das Joggen. Das musste ich damals gegen Walken eintauschen, da mein Knie stark entzündet war und die Rheumatologin vom Joggen abriet. Manchmal probiere ich es doch mal ein kleines Stückchen und es geht.

Hast Du vielleicht sogar ein paar ganz praktische Alltags-Tipps für unsere Leser? 

Was mir sehr hilft wenn ich mal Schmerzen habe (ist fast nie der Fall) und den Stimmungsschwankungen sind (und jetzt nicht lachen) ätherische Öle. Ich habe einen Diffusor zu Hause (wir haben sogar in der Praxis welche angeschafft für unsere Angstpatienten) und kann die Öle auch auf die Haut auftragen oder innerlich einnehmen (Weihrauch, Basilikum, Ingwer etc.). Das unterstützt mich sehr.

Das allerwichtigste ist aber das was ich DENKE! Wenn ich mich im Schmerz vergrabe und ihm so viel Raum gebe, dann wird er auch mehr. Und Routinen sind eine sehr gute Sache. Durch meine Yogalehrer-Ausbildung hat sich mein Morgen noch mal mehr verändert. Ich starte mit Mundziehöl (Sesamöl, normales Pflanzenöl geht auch) dann Zunge reinigen, Zähne putzen, den ganzen Körper mit Mandelöl einreiben und etappenweise, unten beginnend, den Körper kurz mit Eiskaltem Wasser abduschen, 500ml heißem Zitronenwasser mit Honig und dann kommen Yoga + Meditation.

Ich habe Zucker vom Speiseplan verbannt und ich ernähre mich seit Anfang 2021 vegetarisch/ vegan. Nur Sonntags gibt’s mal etwas Käse zum Frühstück. Kein Fleisch, selten mal Fisch, keine Milchprodukte. Ich finde am Ende muss jeder seinen Weg finden. Das war meiner und der hat sich sehr gelohnt.

Niemand wird die Verantwortung für Deine Gesundheit übernehmen, außer Du selbst und das habe ich.

Wenn du Deinem Vergangenheits-Ich in Bezug auf den Umgang mit Erkrankung &  Diagnose mit Deinem heutigen Erfahrungsschatz einen Tipp geben könntest, welcher wäre das?

Ich hätte schon viel früher auf meinen Körper hören sollen und einen Gang zurückschalten. Ich bin auf Leistung konditioniert, war zu DDR-Zeiten im Leistungssport und konnte mich nie zurücklehnen. Dank einer 3-jährigen  Psychotherapie habe ich gelernt loszulassen.

Das hätte ich schon sehr viel früher machen müssen. Dann wäre mir so einiges erspart geblieben.

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Anja.

Zum Autor: Matthias Diener ist seit seinem 19. Lebensjahr von Rheuma betroffen. Als zertifizierter Patient Expert und Fachmann für digitale Gesundheit möchte er Wissen rund um rheumatische Erkrankungen patientenverständlich aufbereiten und Patienten bei dem Zugang zu digitalen Angeboten unterstützen.

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