Politik #trotzRheuma: Franziska

Portraitfoto von Gastautorin und Rheumapatientin Franziska Müller Rech

Hey, stell Dich doch einmal kurz vor!

Hi! Ich bin Franziska Müller-Rech, 36 Jahre alt und Abgeordnete im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Dort bin ich schulpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion. Bei mir wurde vor fünf Jahren Psoriasis-Arthritis diagnostiziert. Seit drei Jahren bin ich auch Botschafterin für Junge Rheumatiker bei der Rheuma-Liga NRW.

Wie war es als Du die Diagnose erfahren hast? Was hat die Diagnose bei Dir ausgelöst?

Angst. Blanke Angst davor, wie das mein Leben verändern würde. Es fing bei mir mit einem scheinbar grundlos geschwollenen Zeigefinger an. Innerhalb von wenigen Tagen kamen das rechte Sprunggelenk und dann peu a peu weitere Gelenke dazu. Ich hatte damals in meiner Wohnung eine kleine Treppe, die ich vor Schmerzen nur noch sehr langsam rauf und runter kam. Ich habe mich gefragt: Sieht ab jetzt so Dein Leben aus? Mit 31? Zum Glück lief der Diagnoseprozess sehr schnell und auch die Medikamentenwirkung setzte schnell ein.

Wie geht es Dir aktuell? / Wie bewältigst Du Deinen Alltag?

Heute bin ich wieder schmerzfrei und habe aktuell kaum Einschränkungen im Alltag. In der Zwischenzeit hatte leider die Wirkung des MTX nachgelassen, sodass mein rechtes Sprunggelenk 2,5 Jahre lang entzündet war. Mein damaliger Rheumatologe hatte mich auf einen Ärztemarathon inkl. Akupunktur, Physiotherapie und Osteopathie geschickt, der mir nicht half. Ich habe dann den Rheumatologen gewechselt, bekam ein neues Medikament und bin seit über einem Jahr wieder schmerzfrei – wofür ich unendlich dankbar bin. Aktuell gewöhne ich mich cm-weise wieder an Schuhe mit Absatz. :-) 

Was war bist jetzt die größte Herausforderung seit Deiner Diagnose?

Motivation und Hoffnung zu behalten, wenn die Krankheit wieder zuschlägt. Nicht aufzugeben, was die eigene Prognose angeht, aber auch sich täglich aufzuraffen, zum Beispiel zum Sport, weil ich weiß, dass es mir gut tut und hilft. Jede Erkrankung ist anders, Rheuma verändert sich ständig, zum Beispiel können Medikamentenwirkungen über die Zeit nachlassen. Aber mit dem richtigen Umfeld, insbesondere Freunden und Familie, gibt es immer neue Optionen und einen Silberstreif am Horizont. Für mich war es auch eine Herausforderung, mich von Menschen zu trennen, die mich heruntergezogen statt aufgebaut haben.

Wie offen gehst Du mit Deiner Erkrankung um?

Inzwischen sehr offen. Mein Vater hatte auch eine rheumatische Erkrankung und war stets darum bemüht, dass man sie ihm nicht ansieht, dass ihm das nicht als Schwäche ausgelegt werden kann. Diesen in meinen Augen falschen Umgang musste ich für mich erst mal abschütteln.

"Es lebt sich sehr viel einfacher, wenn man mal um Hilfe fragen kann! Ich habe dann schnell festgestellt, dass zwar unheimlich viele Leute Rheuma haben, aber kaum jemand in der Öffentlichkeit darüber spricht, es an sogenannter Awareness fehlt."

Ich rede heute sehr offen über meine Erkrankung, auch in sozialen Medien, um über Rheuma zu informieren, mit Mythen und Vorurteilen aufzuräumen und auch Betroffenen zu zeigen, dass es nicht nur schwere Verläufe, sondern auch Rheumatiker:innen wie mich gibt.

Inwiefern hat sich Dein Berufsleben geändert?

Ich war ja schon mit der Erkrankung in der Politik und bin in den Landtag gewählt und Abgeordnete geworden. Ich glaube im Rückblick, dass das eigentlich ganz hilfreich war. Ich arbeite aber heute immer noch daran, mehr auf den eigenen Körper zu hören und sich selbst nicht zu überlasten. 60-Stunden-Wochen, ständig im Dienst, ständig online – das kann man mal in kurzen Phasen machen. Es dankt Dir aber niemand, wenn Du Dir gar keine Zeit mehr für körperliche oder mentale Erholung nimmst. Dadurch sinken dann auch auf Dauer Deine Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.

Wie fallen die Reaktionen der Personen aus dem beruflichen Umfeld aus, wenn sie von Deiner Erkrankung erfahren / erfahren haben?

Ohne Ausnahme verständnisvoll! Meine Kolleg:innen haben nachgefragt, wie sich die Krankheit bei mir äußert und mir immer wieder Unterstützung angeboten. Auch Behandlungserfolge haben sie mitgefeiert. Mein Team aus Mitarbeiter:innen ist eine riesige Unterstützung. Sie passen maßgeblich auch darauf auf, dass ich Zeit für Sport und Erholung in den Kalender einbaue. Das tut unfassbar gut!  

Inwieweit hat sich die Erkrankung auf Freizeit und Hobbies ausgewirkt? Wie gehst Du hier damit um?

Vor der Erkrankung habe ich Squash gespielt. Das musste ich leider an den Nagel hängen, was sehr schade ist. Aber ich habe dafür andere Sportarten für mich entdeckt und fahre zum Beispiel auch im Alltag oft mit dem Fahrrad. Ansonsten habe ich in Freizeit und Hobbies glücklicherweise keine Einschränkungen mehr. 

Hast Du vielleicht sogar ein paar ganz praktische Alltags-Tipps für unsere Leser?

Der praktischste Alltagstipp: Geht offen mit Eurer Erkrankung um. Spielt nicht die Held:innen und macht nicht alles mit Euch alleine aus. Ihr seid nämlich nicht alleine! Gerade Familie und Freunde können eine enorme Stütze sein, auch Kolleg:innen können besser mit der ein oder anderen Situation umgehen, wenn sie wissen, was in Euch vorgeht. Und versucht, Euch von Menschen zu verabschieden, die Euch runterziehen. 

Wenn Du Deinem Vergangenheits-Ich im Bezug auf den Umgang mit der Erkrankung und der Diagnose mit Deinem heutigen Erfahrungsschatz einen Tipp geben könntest, welcher wäre das?

Ganz konkret: Im Rückblick würde ich mir in der Zeit meiner Sprunggelenkentzündung selber raten, viel früher die Meinung eines anderen Rheumatologen einzuholen. Etwas abstrakter und bezogen auf die Zeit der Diagnose würde ich mir selbst wohl sagen: Atme tief durch. Das wenigste von dem, was im Internet steht, wird auf Deine Erkrankung zutreffen. Jedes Rheuma ist anders. Hör auf Dich und Deinen Körper und umgib Dich mit Menschen, die Dir gut tun.

Zum Autor: Matthias Diener ist seit seinem 19. Lebensjahr von Rheuma betroffen. Als zertifizierter Patient Expert und Fachmann für digitale Gesundheit möchte er Wissen rund um rheumatische Erkrankungen patientenverständlich aufbereiten und Patienten bei dem Zugang zu digitalen Angeboten unterstützen.

Matthias Diener
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